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A review by bookishyvonne
Auf Erden sind wir kurz grandios by Ocean Vuong
challenging
dark
emotional
reflective
sad
tense
slow-paced
- Plot- or character-driven? Character
- Strong character development? It's complicated
- Loveable characters? It's complicated
- Diverse cast of characters? Yes
- Flaws of characters a main focus? Yes
4.0
Wow. “Auf Erden sind wir kurz grandios” von Ocean Vuong [he/him], übersetzt von Anne-Kristin Mittag, ist voller emotionaler Poesie und gleichzeitig auch… vulgär? Gewaltvoll? Das Buch ist ein Brief von Little Dog an seine Mutter, die nicht lesen kann. Und es tut weh zu lesen, was er seiner Mutter alles mitteilen möchte, was sie selbst nie lesen wird. Großes Danke an @btb und @bloggerjury für das Rezensionsexemplar! “Niemand soll glauben, wir seien die Frucht der Gewalt - sondern dass Gewalt, die durch die Frucht hindurchgegangen ist, sie nicht verderben konnte.”
[CN: Anti-indigener Rassismus (I-Wort S. 70, 98), Ableismus, Abtreibung, Drogen, Gewalt gegen Kind, homofeindliches T-Wort (S. 23, 173, 215), häusliche Gewalt, Homofeindlichkeit, Misogynie, Mobbing, Knochenkrebs, Krieg, Orlando Nightclub Shooting, PTSD, Queerfeindlichkeit, Rassismus, Schizophrenie, Sexarbeit, Slut Shaming, Sucht, Tierquälerei (Affe, Waschbär), Tod (u.a. Großmutter), toxische Maskulinität, Victim Blaming, Überdosis]
Ihr merkt an der langen Liste von Content Notes, dass das Buch wirklich keine leichte Kost ist. Little Dog wird in seinem Leben mit vielem konfrontiert und setzt sich in diesem Brief mit all dem auseinander. Die Geschichte handelt von ihm als schwuler Sohn einer vietnamesischen Mutter, die wiederum Tochter eines amerikanischen Soldaten und eines vietnamesischen Bauernmädchens ist. Es ist eine Geschichte über Immigration, Familie, Rassismus und Queersein.
Das Buch ist so schön geschrieben, aber gleichzeitig sehr schmerzhaft. Es gab vieles, womit ich mich identifizieren konnte, wie das Leben als Familiendolmetscher*in. Von klein auf, war das meine Rolle gewesen und auch eben die Rolle von Little Dog. Denn seine Mutter und seine Großmutter können kaum Englisch. Kommunikation kann auch so schon schwierig sein, aber wenn zwischen Elternteil und Kind auch noch eine Sprachbarriere ist, macht es das nur umso schwieriger. Ganz ehrlich, erst nachdem ich Sinologie studiert und insgesamt 2 Jahre in China verbracht habe, konnte ich mich besser mit meinen Eltern verständigen. Das Kind kann nicht einfach nur Kind sein. Ich denke, das kennen viele Kinder mit Migrationsbiografie. Formulare ausfüllen, Übersetzen von Briefen, Dolmetschen bei Ärzt*innen und so viel mehr. Es ist so viel mehr als das. Denn mit einhergeht die Verantwortung, all die Sachen korrekt zu vermitteln. Und zu lesen, dass es anderen auch so geht, ist für mich irgendwie traurig-tröstlich.
Wir erleben transgenerationales Trauma mit. Das Trauma der Großmutter und der Mutter vom Vietnamkrieg, das nie verarbeitet wurde. Dann kommt noch die schon fast selbstverständliche Gewalt der Mutter hinzu, die sie ihrem Sohn zufügt und gleichzeitig die Aufopferungsbereitschaft für ihn. Selbstverständlich ist Gewalt nicht auszugleichen! Es war für geradezu unheimlich, wie… normal mir das im Buch vorkam. So, als wäre es ein natürlicher Teil des Lebens von Little Dog. Schön hingegen fand ich die schon fast unauffälligen Dinge, wie der Bezug zur vietnamesischen Sprache, wie die Großmutter im Sterben liegt und Little Dog dennoch fragt, ob er schon gegessen hat. Mittlerweile wird “Hast du schon gegessen?” wie eine Begrüßung verwendet, ein “Wie geht es dir?”
Ein Satz, der mir einen richtigen Stich versetzt hat, weil ich den in einer anderen Variation nur zu gut kenne: “Fall nicht auf. Du bist schon vietnamesisch.” Ich denke, ich muss das nicht näher ausführen, aber das hat wirklich wehgetan das zu lesen, weil ich das selbst nur zu gut kenne. Was tun, wenn ich bereits “anders” bin? Was tun, wenn ich dann auch noch queer bin? Das ist etwas, worüber sich Little Dog den Kopf zerbricht und ich konnte das nur zu gut nachempfinden.
Worüber ich sehr froh bin, ist die Darstellung Queerness eines Asian American. Little Dog hat Sex mit einem weißen Jungen, der offensichtlich Ansichten toxischer Männlichkeit vertritt und auch Little Dog durch manche Aussagen das Mannsein abspricht. Ich fand die Beschreibung des schwulen Sex gut-vulgär. Es war nicht romantisiert, sondern war ein bisschen durcheinander und wirkte auf mich nicht so, als wäre es fetischisierend geschrieben (soweit ich das überhaupt beurteilen kann als nicht-schwule Person). Was mir wiederum gefehlt hat, war die Ergründung, wie das so ist als Asian American mit einem weißen Jungen zu sein. Ich denke, da hätte viel herausgeholt werden können.
Ein wirklich schmerzhaftes und schönes Buch und auch die Übersetzung fand ich gut, soweit ich das beurteilen kann, ohne das Original gelesen zu haben. Ich kann mir vorstellen, dass es alles andere als einfach war. Nicht gut fand ich die Verwendung des I-Wortes und auch, dass “Schwarz” kleingeschrieben wurde, obwohl es als eine gesellschaftspolitische Selbstzeichnung verwendet wurde (S. 71).
[CN: Anti-indigener Rassismus (I-Wort S. 70, 98), Ableismus, Abtreibung, Drogen, Gewalt gegen Kind, homofeindliches T-Wort (S. 23, 173, 215), häusliche Gewalt, Homofeindlichkeit, Misogynie, Mobbing, Knochenkrebs, Krieg, Orlando Nightclub Shooting, PTSD, Queerfeindlichkeit, Rassismus, Schizophrenie, Sexarbeit, Slut Shaming, Sucht, Tierquälerei (Affe, Waschbär), Tod (u.a. Großmutter), toxische Maskulinität, Victim Blaming, Überdosis]
Ihr merkt an der langen Liste von Content Notes, dass das Buch wirklich keine leichte Kost ist. Little Dog wird in seinem Leben mit vielem konfrontiert und setzt sich in diesem Brief mit all dem auseinander. Die Geschichte handelt von ihm als schwuler Sohn einer vietnamesischen Mutter, die wiederum Tochter eines amerikanischen Soldaten und eines vietnamesischen Bauernmädchens ist. Es ist eine Geschichte über Immigration, Familie, Rassismus und Queersein.
Das Buch ist so schön geschrieben, aber gleichzeitig sehr schmerzhaft. Es gab vieles, womit ich mich identifizieren konnte, wie das Leben als Familiendolmetscher*in. Von klein auf, war das meine Rolle gewesen und auch eben die Rolle von Little Dog. Denn seine Mutter und seine Großmutter können kaum Englisch. Kommunikation kann auch so schon schwierig sein, aber wenn zwischen Elternteil und Kind auch noch eine Sprachbarriere ist, macht es das nur umso schwieriger. Ganz ehrlich, erst nachdem ich Sinologie studiert und insgesamt 2 Jahre in China verbracht habe, konnte ich mich besser mit meinen Eltern verständigen. Das Kind kann nicht einfach nur Kind sein. Ich denke, das kennen viele Kinder mit Migrationsbiografie. Formulare ausfüllen, Übersetzen von Briefen, Dolmetschen bei Ärzt*innen und so viel mehr. Es ist so viel mehr als das. Denn mit einhergeht die Verantwortung, all die Sachen korrekt zu vermitteln. Und zu lesen, dass es anderen auch so geht, ist für mich irgendwie traurig-tröstlich.
Wir erleben transgenerationales Trauma mit. Das Trauma der Großmutter und der Mutter vom Vietnamkrieg, das nie verarbeitet wurde. Dann kommt noch die schon fast selbstverständliche Gewalt der Mutter hinzu, die sie ihrem Sohn zufügt und gleichzeitig die Aufopferungsbereitschaft für ihn. Selbstverständlich ist Gewalt nicht auszugleichen! Es war für geradezu unheimlich, wie… normal mir das im Buch vorkam. So, als wäre es ein natürlicher Teil des Lebens von Little Dog. Schön hingegen fand ich die schon fast unauffälligen Dinge, wie der Bezug zur vietnamesischen Sprache, wie die Großmutter im Sterben liegt und Little Dog dennoch fragt, ob er schon gegessen hat. Mittlerweile wird “Hast du schon gegessen?” wie eine Begrüßung verwendet, ein “Wie geht es dir?”
Ein Satz, der mir einen richtigen Stich versetzt hat, weil ich den in einer anderen Variation nur zu gut kenne: “Fall nicht auf. Du bist schon vietnamesisch.” Ich denke, ich muss das nicht näher ausführen, aber das hat wirklich wehgetan das zu lesen, weil ich das selbst nur zu gut kenne. Was tun, wenn ich bereits “anders” bin? Was tun, wenn ich dann auch noch queer bin? Das ist etwas, worüber sich Little Dog den Kopf zerbricht und ich konnte das nur zu gut nachempfinden.
Worüber ich sehr froh bin, ist die Darstellung Queerness eines Asian American. Little Dog hat Sex mit einem weißen Jungen, der offensichtlich Ansichten toxischer Männlichkeit vertritt und auch Little Dog durch manche Aussagen das Mannsein abspricht. Ich fand die Beschreibung des schwulen Sex gut-vulgär. Es war nicht romantisiert, sondern war ein bisschen durcheinander und wirkte auf mich nicht so, als wäre es fetischisierend geschrieben (soweit ich das überhaupt beurteilen kann als nicht-schwule Person). Was mir wiederum gefehlt hat, war die Ergründung, wie das so ist als Asian American mit einem weißen Jungen zu sein. Ich denke, da hätte viel herausgeholt werden können.
Ein wirklich schmerzhaftes und schönes Buch und auch die Übersetzung fand ich gut, soweit ich das beurteilen kann, ohne das Original gelesen zu haben. Ich kann mir vorstellen, dass es alles andere als einfach war. Nicht gut fand ich die Verwendung des I-Wortes und auch, dass “Schwarz” kleingeschrieben wurde, obwohl es als eine gesellschaftspolitische Selbstzeichnung verwendet wurde (S. 71).