A review by muyelinh
50 by Nora Bartels, Hideo Yokoyama

informative reflective slow-paced
  • Plot- or character-driven? Character
  • Strong character development? No
  • Loveable characters? No
  • Diverse cast of characters? No
  • Flaws of characters a main focus? Yes

2.0

Mit dem opulenten 760-Seiten-Wälzer "64" hatte ich vor Jahren zum ersten Mal ein Buch von Hideo Yokoyama zur Hand genommen. Eine sehr spezielle Geschichte war das, die von der Konkurrenz ermittelnder Behörden in Japan handelte und abseits vieler Krimi-Klischees aus Europa vor sich hin wandelte. Und sich dabei zog wie ein Kaugummi, wenngleich die Auflösung doch irgendwie spannend war.

Nach langer Zeit der Verarbeitung las ich nun also "50" in der Hoffnung, auf 347 Seiten eine weitaus straffere und damit spannendere Handlung zu erhalten.
Die Prämisse klingt sehr mysteriös: Der Polizeihauptmann Sōichirō Kaji zeigt sich selbst an, nachdem er seine an Alzheimer erkrankte Ehefrau auf deren Verlangen hin getötet hat - allerdings erst zwei Tage nach der Tat. Darüber, was er in der Zwischenzeit getan hat, schweigt er jedoch eisern.

Die Dynamik des Falles entspinnt sich auch hier im Gegeneinanderarbeiten von Polizei, Justiz und Presse, was auch durch die sechs verschiedenen Erzähler deutlich wird. Typische Ermittlungen finden hingegen praktisch gar nicht statt, sondern werden sofort von den Institutionen im Keim erstickt. So kommt nie richtige Spannung auf, und das ungeklärte Mysterium bleibt der einzige Hook, der mich als Leser bei der Stange gehalten hat. Damit geht auch einher, dass sich der Status des Geschehens über einen Großteil des Buches nicht ändert, und dass es zu vielen Wiederholungen kommt. Zwar gibt es eine zufriedenstellende Auflösung, diese ist aber kein Schocker oder gar Twist, wie dies bei "64", wo das Ende das Buch zu einem großen Teil rettete, noch der Fall war. Im Prinzip ist das für mich kein Krimi, sondern ein Roman.

Ich hätte natürlich vorab ahnen können, dass es darauf hinauslaufen würde, hatte aber die Hoffnung, dass die guten Ansätze in einem kürzeren Umfang besser zum Tragen kommen würden. Nun weiß ich, dass man auch auf nur 350 Seiten eine sehr langweilige Geschichte erzählen kann.

Dabei ist das Buch keinesfalls schlecht geschrieben, als Roman hat es definitiv eine Berechtigung, und wer auf Slowburn und Charakterbeziehungen in einer von Ehrbegriffen geprägten Gesellschaft steht, hat mit diesem Werk sicher eine gute Zeit. Doch für einen Krimi fehlte es mir eindeutig an Spannungselementen oder überraschenden Wendungen. Nun bin ich sehr unschlüssig ob seines dritten Werkes "2", zwei Kurzgeschichten, die mit unter 100 Seiten auskommen. Einerseits würde sich der Zeitverlust dabei in engen Grenzen halten, sodass es geboten scheint, dem Autor nochmal eine Chance zu geben, andererseits bin ich nun auch irgendwie zu der Einsicht gelangt, dass Yokoyamas Zugang zu Kriminalhandlungen vermutlich nichts für mich ist. 

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