A review by muyelinh
Frostfeuer by Kai Meyer

adventurous hopeful lighthearted fast-paced
  • Plot- or character-driven? Character
  • Strong character development? Yes
  • Loveable characters? Yes
  • Diverse cast of characters? No
  • Flaws of characters a main focus? Yes

4.25

Die letzten Dezembertage kann man wohl kaum besser beschließen als mit diesem Buch, in dem Kai Meyer den Mythos der Schneekönigin verarbeitet hat. 
Ich war mir gar nicht sicher, ob die Geschichte aus dem Jahr 2005 mich noch begeistern können würde, da es ja doch eher an jüngere Menschen gerichtet ist. Glücklicherweise kann ich mittlerweile sagen, dass ich bei keinem Autor - nicht mal bei meinen Lieblingsautoren Higashino oder Neuenkirchen - so sicher kann, dass ein bestimmter Standard niemals unterschritten werden wird wie eben bei Kai Meyer. 

Gewohntermaßen gelingt es ihm, mit vollendeter Sprachgewandtheit ein tolles Panorama des winterlichen St. Petersburg zu entwerfen. Eindringliche Schilderungen der Kälte haben perfekt zur Jahreszeit gepasst. 
Auch die bunte Charakterparade ist mal wieder ein großes Plus. Die Hauptprotagonistin, die 12-jährige Maus, ist süß und überraschend facettenreich: Eigentlich klein und ängstlich, dann aber doch erstaunlich tough in Konfrontationen mit größeren Mächten, einerseits gewitzte Diebin, andererseits auch mal etwas lost und von anderen abhängig. Und in ihrem Bestreben, das Richtige zu tun, auf jeden Fall nicht durchgehend konsistent! 
Auch die beiden großen Gegnerinnen dieses Romans, die tyrannische und gleichzeitig irgendwo nahbare Schneekönigin und die exzentrische Magierin Tamsin, machen genauso Spaß wie fast alle Nebenfiguren, sodass man während des Lesens eigentlich nie das Gefühl hat, sich jetzt durch eine nervige Person durchkämpfen zu müssen. 
Gleichzeitig gibt es auch leichte historische Anleihen, die ich gar nicht erwartet und deshalb geschätzt habe, im Zentrum steht hier der Zarenmörder Nikolai Iwanowitsch Ryssakow und generell, wenn auch nur am Rande, das späte russische Zarenreich. 

Wie man sieht, wird viel Input geboten, und insgesamt sind die nur 300 Seiten definitiv zu wenig gewesen, um die ganze Fülle des Settings ausreichend auskundschaften zu können. Zahlreiche Nebenplots wurden hintenraus etwas zu einfach aufgelöst. Auch das Grandhotel Aurora als Schauplatz hätte noch fantastischer in Szene gesetzt werden können, ebenso wie die Motivation der Schneekönigin und insbesondere die Wirkung der Magie und die Duelle der Zauberinnen, die leider immer off-screen stattfinden. Die Story hätte sicher das Potenzial dazu gehabt, wie Merle, die Wellenläufer oder das Wolkenvolk eine ganze Trilogie zu tragen. Gelungen ist das Ende durchaus, Maus erlebt hier eine Art "West of Westeros" - Moment, aber ganz zufriedenstellend war es nicht, da die schmale Seitenzahl einfach nicht die Möglichkeit zuließ, alle Stränge mit einem angemessenen Erzähltempo abzuschließen.